Neue Anforderungen aus BVT-Schlussfolgerung für Oberflächenbehandlung mit Lösemitteln – mit Auswirkung über IE-Anlagen hinaus?

Die EU-Kommission hat die Schlussfolgerungen zu dem im Jahr 2019 revidierten BVT-Merkblatt „Oberflächenbehandlung unter Verwendung von organischen Lösemitteln“ bereits mit Durchführungsbeschluss (EU) 2020/2009 vom 22. Juni 2020 veröffentlicht.

Betroffen sind viele Unternehmen der Automobil- und Metallindustrie sowie beispielsweise Betreiber von Beschichtungsanlagen für Kunststoffe, Holz, Papier oder auch Druckereien sofern die Verbrauchskapazität an organischen Lösemitteln mehr als 150 kg/h oder 200 t/a beträgt. Es handelt sich also überwiegend um sog. IE-Anlagen, die bereits bisher als immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen in den Anwendungsbereich der Lösemittelverordnung - 31. BImSchV - gefallen sind (z. B. Anlagen nach Nr. 5.1.1.1 des Anhang 1 der 4. BImSchV).

Die BVT-Schlussfolgerung enthält insgesamt 53 BVTs, insbesondere in Bezug auf Luftemissionen, aber auch in Bezug auf Emissionsmessungen (grundsätzlich jährlich gefordert), Abwasseremissionen, Energieeffizienzen, Gaspendelung oder die Implementierung von Umweltmanagementsystemen. Wie bei anderen BVT-Schlussfolgerungen auch, werden grundsätzlich Emissionsbandbreiten (mittlere Betriebswerte bei Verwendung beste verfügbarer Techniken) statt Grenzwerte angegeben. Wie zuletzt der Kabinettsbeschluss zur neuen TA Luft aber gezeigt hat, sollen in Deutschland offenbar regelmäßig die unteren und damit strengsten Werte der Bandbreiten als absolute Grenzwerte rechtsverbindlich werden. Es kann - wie das Beispiel TA Luft zeigt - zudem befürchtet werden, dass Anforderungen aus BVT-Schlussfolgerungen, die nach europäischem Recht für Großanlage (IE-Anlagen) bestimmt sind, auch den kleineren genehmigungsbedürftigen Anlagen auferlegt werden.

Die Mitgliedstaaten müssen entsprechend der Industrieemissions-Richtlinie die Anforderungen zur Einhaltung der Emissionsbandbreiten innerhalb von 4 Jahren umsetzen (vgl. auch §§ 7 und 48 BImSchG). In Deutschland sind daher Anpassungen unterschiedlicher Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zu erwarten (insbesondere Lösemittelverordnung - 31. BImSchV, TA Luft und Abwasserverordnung). Es bleibt abzuwarten, ob Deutschland diesmal die Umsetzungsanforderungen fristgerecht erfüllt.

Kritisiert wurde bereits beim revidierten BVT-Merkblatt, dass z. B. beim Sektor „Lackierung von Metall- oder Kunststoffoberflächen“ Informationen über lediglich 13 Bespielanlagen zur Verfügung standen, um die BVT festzulegen. Bei diesem Sektor kann es hinsichtlich Emissionsgrenzwerten für Lösemittel (VOC) beispielhaft zu folgenden Verschärfungen kommen (hier Metallbeschichtung):

Grenzwert für gefasste Emissionen (Gesamt-C): bisher 50 mg/m³ (1) neu 1 - 20 mg/m³ (2)
Grenzwert für diffuse Emissionen (vom Einsatz): bisher 20 % (3) neu 1 - 10 %
Alternative Zielemission (pro kg Feststoff): bisher 0,375 kg (3) neu < 0,05 – 0,2 kg

(1) 20 mg/m³ bei thermischen Abgasreinigungseinrichtungen
(2) oberer Wert 35 mg/m³ bei Wiederverwendungsanlagen, 50 mg/m³ bei Abluft eines Konzentrators
(3) 10 % bzw. 0,225 kg bei automatischer Beschichtung bahnenförmiger Materialien

Es bleibt zunächst abzuwarten, ob wiederum die unteren Werte der Emissionsbandbreiten zu Grenzwerten erklärt werden und ob die anspruchsvolleren Anforderungen auch auf kleinere (BImSchG-) Anlagen Anwendung finden sollen.

Aus dem Vergleich ergibt sich ansonsten, dass nach Ausschöpfung andere Maßnahmen zur Emissionsminderung, voraussichtlich vermehrt Abluftreinigungsanlagen, zur Anwendung kommen müssen. Dies gilt u. U. auch dann, wenn bereits sog. High-Solids oder Wasserlacke zum Einsatz kommen, da auch diese Lacksysteme regelmäßig zu Lösemittelemissionen > 1 - 20 mg/m³ führen, ohne Abluftreinigung der Grenzwert für diffuse Emissionen bereits formal nicht eingehalten werden kann und auch die Zielemission häufig nicht mehr schaffbar ist. Dabei war das Konzept der Zielemission bzw. die Anwendung eines diesbezüglichen Reduzierungsplans von innovativem Charakter geprägt, da statt energieintensiver und klimaschädlicher Abluftreinigung auf die Senkung der Lösemittel in den Einsatzstoffen abgezielt wurde.

Die BfU empfiehlt den betroffenen Betreibern, sich frühzeitig mit der neuen BVT-Schlussfolgerung auseinanderzusetzen, um die betriebliche Planung dementsprechend ausrichten zu können. Zögern Sie nicht, sich mit Ihren Fragen an uns zu wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Hüsemann
- Sachverständiger für Genehmigungsverfahren im Umweltbereich und für Verifizierungen im Treibhausgas-Emissionshandel, Umweltgutachter DE-V-0347 -
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